«Wir müssen die Geschwindigkeit anpassen.»

Daniel Fankhauser ist seit 23 Jahren Leiter Rollmaterial und Technik bei der asm. Doch so etwas wie den schweren Bahnunfall im Seeland Ende März 2023 hatte er bisher noch nie gesehen. Hier erzählt er, wie er das Ereignis erlebte, welche Analysen die asm in den vergangenen Monaten erstellte und welche Lehren sie daraus ziehen will.

Herr Fankhauser, wie haben Sie reagiert, als Sie vom umgestürzten Triebzug erfuhren?
DF: «Ich dachte, das darf doch nicht wahr sein: Der Wind hebt ein 38 Tonnen schweres Gefährt aus den Schienen. So etwas hatte es bisher noch nie gegeben.»

Was haben Sie anschliessend unternommen?
DF: «Ich telefonierte mit dem Betriebsleiter und fuhr so rasch als möglich zur Unfallstelle. In diesem Moment habe ich nur noch funktioniert …»

«Wir arbeiten mit einem Wetteralarm, dank dem wir in bestimmten Wettersituationen sofort einschreiten können.» Daniel Fankhauser

Was heisst das konkret?
DF: «Wir mussten ganz einfach die nächsten Schritte bestimmen: Auf dem Weg zur Unfallstelle konnte ich meine Gedanken fassen und mich vorbereiten: Wie kriegen wir das erste Chaos in den Griff? Welche Fachstellen müssen wir involvieren? Wie können wir das Fahrzeug bergen? Wie können wir die Strecke wieder instand stellen?»

Wie analysieren Sie das Unglück im Nachgang?
DF: «Klar ist: Dies war der erste Unfall mit Seitenwind bei einer Meterspurbahn. Hier eröffnete sich uns ein komplett neues, mögliches Risikoszenario. Wir mussten uns fragen, was wir in Zukunft damit machen.»

Wie wurde das Unglück intern aufgenommen – und aufgearbeitet?
DF: «Zum Glück kam es nur zu geringfügigem Menschenschaden – der Lokführer konnte das Spital am gleichen Abend wieder verlassen. Das Zusammenspiel mit allen involvierten Stellen funktionierte ausgezeichnet.»

Gab es eine Untersuchung durch den Kanton?
DF: «Das läuft über die Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle SUST. Hier warten wir noch auf den definitiven Bericht, der danach ans Bundesamt für Verkehr weitergeleitet wird. Wir sind gespannt.»

Welche Streckenabschnitte sind besonders heikel?
DF: «Wir haben uns nach dem Unfall mit der Firma Meteomatics aus St. Gallen ausgetauscht. Sie ist spezialisiert auf Wetteranalysen; gemeinsam haben wir herausgefunden, auf welchen Streckenabschnitten die gefährlichsten Winde lauern – diese kommen immer aus Südwesten und treten in erster Linie in offenem Gelände auf.»

Und was ist die Konklusion aus der Analyse?
DF: «Wir haben herausgefunden, dass wir bei Starkwinden die Geschwindigkeit des Zuges anpassen müssen. Wir wissen jetzt, mit welcher Geschwindigkeit wir welche Strecken befahren können.»

Wie werden Sie künftig vorgehen, wenn wiederum extreme Wetterkapriolen angesagt sind?
DF: «Wir haben unsere eigenen Dienst- und Eskalierungsvorschriften angepasst. Wir arbeiten mit einem Wetteralarm, dank dem wir in bestimmten Wettersituationen sofort einschreiten können; das ist eine Art Frühwarnsystem, das uns hilft, spezielle Situationen frühzeitig zu erkennen.»

Zum Schluss: Welche Lehren haben Sie aus dem Ereignis gezogen?
DF: «Dass wir uns immer verbessern können und müssen. Und dass es keine absolute Sicherheit gibt – weder auf der Schiene noch auf der Strasse.»

Daniel Fankhauser, Leiter Rollmaterial & Technik