Der neue Verwaltungsratspräsident der asm, Rolf Riechsteiner und der Geschäftsführer Fredy Miller nehmen sich Zeit, das vergangene Jahr Revue passieren zu lassen. Sie analysieren die gegenwärtige Situation und wagen gemeinsam einen Blick nach vorn.
Herr Riechsteiner, wie finden Sie sich in Ihrer neuen Aufgabe zurecht?
RR: «Der Einstieg fiel mir leicht, ich bin ja schon seit ein paar Jahren als Verwaltungsrat dabei und pflegte stets einen engen Kontakt zur Geschäftsleitung. Der Übergang zum VR-Präsidenten verlief fliessend.»
Herr Miller, was bedeutet der Wechsel eines neuen VR-Präsidenten für die Organisation und für Sie persönlich?
FM: «In erster Linie geht es um Offenheit und Vertrauen. Wir diskutieren nicht nur über positive Ergebnisse, sondern sprechen auch Unangenehmes an. Und wir sind rein strategisch parallel unterwegs. Wir versuchen gemeinsam, die Zukunft der asm sicherzustellen und zu entwickeln.»
2023 war ein ereignisreiches Jahr. Wodurch wurde es besonders geprägt?
FM: «Positiv war, dass sich die Frequenzen über unseren Erwartungen gut erholten. Wir erreichten Ende 2023 fast das Niveau vor Corona. Hier kommt uns entgegen, dass wir einerseits sehr viele Schülerinnen und Schüler und andererseits viele Menschen an ihre Industriearbeitsplätze transportieren; Homeoffice ist nur teilweise ein Thema. Dazu kommt, dass wir unser Angebot bei den Gelenkbussen auf der Linie 51 von Melchnau nach Wangen an der Aare und auf der Linie 72 von Biel nach Meinisberg erweitern konnten. Und: Es herrscht Aufbruchstimmung aufgrund der anstehenden immensen Bauprojekte wie beispielsweise in Solothurn.»
Und negativ?
FM: «Hier muss man den Fachkräftemangel erwähnen und natürlich das Starkwindereignis von Ende März im Seeland, das wir zurzeit immer noch am Aufarbeiten sind.»
RR: «Für mich war beeindruckend, wie flexibel unsere Mitarbeitenden auf diese besonderen Umstände reagierten. Generell höre ich selten jemand, der am Hadern ist – im Gegenteil: Bei der asm wird angepackt, man sucht und findet gemeinsam Lösungen. Das finde ich nicht selbstverständlich, und das macht mir Freude.»
Welchen Einfluss auf das Krisenmanagement hatte das Starkwindereignis vom 31. März 2023?
RR: «Ich kann mit gutem Gewissen behaupten: Das Krisenmanagement hat bestens funktioniert. Es wird gelebt und hat sich in der Praxis bestätigt. Wir haben alle miteinander Verantwortung übernommen.»
FM: «Ich denke auch, dass wir das Ganze sehr gut bewältigten. Der Krisenstab war sofort zur Stelle: Wir haben vor Ort unser Möglichstes gemacht, schauten zu unseren Helferinnen und Helfern und bedankten uns bei allen Involvierten für ihren Einsatz.» (Details dazu erfahren Sie im Interview mit Daniel Fankhauser, Leiter Rollmaterial und Technik.)
Welche Chancen und Risiken zeichnen sich in den kommenden drei Jahren für die asm ab?
FM: «Es ist uns bewusst, dass die Mittel für uns knapper werden. Auf Stufe Bund und Kanton wird gerade eine Sparrunde eingeläutet, die uns wehtut – vor allem, weil wir bereits heute schlank aufgestellt sind. Aber wir werden unsere Ressourcen laufend optimieren. Chancen sehe ich vor allem in der Art und Weise, wie wir aufgestellt sind. Wir geniessen beispielsweise eine hohe Akzeptanz bei den Behörden, sind gut in der lokalen Bevölkerung verankert und haben trotz allem noch die Möglichkeit, unser Angebot auszubauen.»
RR: «Die Herausforderung liegt klar darin, dass wir mit weniger Arbeitskräften mehr Menschen transportieren müssen. Eine grosse Chance sehe ich in der Digitalisierung – insbesondere im Bereich Systeme, Ticketing und Abrechnung. Zudem müssen wir uns fragen, wie wir noch effizienter unterwegs sein können.»
Wie zufrieden ist die asm mit dem Umsetzungsumstand in Bezug auf die Massnahmen im Bereich des Behindertengleichstellungsgesetzes?
FM: «In Bezug auf die Bahnhöfe nehmen wir schweizweit eine Vorreiterrolle ein; über 80 Prozent aller Bahnhöfe und Haltestellen auf unserem Liniennetz verfügen über behindertengerechte Einstiege. Bei den Bussen existieren keine konkreten Zahlen: Tatsache aber ist, dass wir mit zahlreichen Gemeinden, die dafür zuständig sind, im Gespräch sind. Langenthal, zum Beispiel, nimmt hier eine Vorbildrolle ein. Und: Wir zeigen uns im täglichen Einsatz sehr kulant und unterstützen Fahrgäste, die Hilfe brauchen.»
Beim Projekt Verkehrssanierung Aarwangen wird die asm trotz erfolgreicher Volksabstimmung aufgrund von 13 hängigen Beschwerden ausgebremst. Welche Möglichkeiten gibt es für Sofortmassnahmen?
RR: «Das Problem ist: Der Strassenanteil liegt wesentlich höher als der Bahnanteil. Es gibt Beschwerden gegen das Gesamtprojekt, uns sind die Hände gebunden. Wir sind mit allen Involvierten im Gespräch: Für uns geht es in erster Linie um die Verkehrssicherheit vor Ort.»
Themawechsel: Wie geht die asm mit dem aktuell grassierenden Fachkräftemangel um?
FM: «Indem wir beispielsweise sämtliche Stellen nicht nur zu 100 Prozent ausschreiben. Aber wir sind nun einmal in einer Branche tätig, in der man hauptsächlich physisch präsent sein muss. Homeoffice ist für viele Berufe bei der asm kein Thema. Wir sind 365 Tage präsent. Aber wir kommunizieren intensiv mit unseren Mitarbeitenden. Sie befinden sich rein technisch auf dem neusten Stand, wir nehmen so gut wie möglich Rücksicht auf Wünsche betreffend freie Tage oder Ferien, bieten Goodies wie das Gesundheitsförderungsprojekt «Ladestation» an und pflegen eine unkomplizierte Du-Kultur.»
RR: «Unsere Mitarbeitenden sind oft physischer Arbeit sowie Wind und Wetter ausgesetzt – das ist nicht immer attraktiv. Aber sie halten uns mehrheitlich die Treue. Und das gibt uns ein ausserordentlich gutes Gefühl.»
Zum Schluss: Welche mittelfristigen Ziele verfolgen Sie mit der asm?
FM: «Einerseits wollen wir wie bereits erwähnt unsere Digitalisierungsstrategie weiter ausbauen, andererseits auch unser Angebot sowie unser Eisenbahnnetz weiter optimieren. Gerade Letzteres beinhaltet Projekte in einer noch nie dagewesenen Grösse; viele davon mit einem Umsetzungszeithorizont von fünf bis zehn Jahren. Wir planen also teilweise, was die Generation nach uns umsetzt. Nicht zuletzt kommt der soziale Faktor dazu: Wir wollen ein ausgezeichneter und zuverlässiger Arbeitgeber sein.»
RR: «Mir persönlich liegt besonders der Bahnhof Oensingen am Herzen. Ich wünsche mir für diesen für uns wichtigen Knotenpunkt einen Bahnhof mit einem Gesicht und einer positiven Ausstrahlung.»